Generation Unpolitisch?


Diese Woche bei Halt Stop!

Die Deutsche Jugend hat kein besonders gutes Image, wenn es um politisches Engagement und Interesse geht. Lange galten die unter dreißigjährigen als politikverdrossen. Das gängige Klischee verurteilt sie als egoistisch, vergnügungssüchtig und anteilnahmslos, welches auch in zahlreichen Umfragen in der Vergangenheit bestätigt wurde. Ist dem wirklich so? Nein!

Neue Fakten!

2015 sind die 15- bis 24-Jährigen so politisch interessiert, wie seit 20 Jahren nicht. Die aktuelle Shell Jugendstudie aus dem Herbst 2015 zeigt, dass die jüngere Bevölkerung so politisch interessiert ist wie lange nicht. Mehr als 40% gaben an, sich für Politik zu interessieren. Die meisten erklärten, ihr Interesse sei gerade im letzten Jahr gestiegen. Dies ist laut den Wissenschaftlern darauf zurück zu führen, dass die Jugendlichen das Gefühl hätten, durch eigenes Handeln für Veränderungen sorgen zu können. So haben die meisten bereits eine Online Petition unterschrieben oder verzichten aus politische Gründen auf den Kauf oder Konsum bestimmter Waren.

Internet erhöht Interesse

Gerade durch die hohe Aktivität der jungen Bevölkerung im Internet
erreichen politische Aufrufe über soziale Medien die Jugendlichen viel schneller und philippe leroyergezielter. Petitionen wie gegen das TTIP Abkommen wurden über 700.000  Mal unterschrieben. Auch Demonstrationen können einfacher als früher Publik gemacht werden und rufen zumindest zum Nachdenken über das Thema auf. Gerade in Zeiten von Pegida kann man Facebook nicht ein Mal besuchen, ohne auf diverse Diskussionen zu stoßen.

(Un-) Repräsentiert im Parlament?

Nichtsdestotrotz: Jugendliche misstrauen den etablierten politischenMicheal Bruns Parteien, ein Großteil hat Probleme, sich von einer Partei vertreten zu fühlen  und kaum jemand tritt bei. So bleiben junge Politiker die Ausnahme. Dies zeigt das Durchschnittsalter der deutschen Parteimitglieder, welches bei 60 Jahren liegt. Allein die Grünen sind mit im Schnitt 49 Jahren jünger als die übrigen großen Parteien.

Mario-DahmMario Dahm ist eine der Ausnahmen. Er ist 25 und bereits seit sieben Jahren Mitglied der SPD, und seit sechs Jahren in der Kommunalpolitik aktiv. Das Besondere an ihm: Er setzt sich nicht etwa in Köln ein, wo er studiert, sondern engagiert sich in seinem Heimatort Hennef. Seiner Meinung nach ist das Klischee der unpolitschen Jugend definitiv überholt:

„Es wird natürlich gerne immer gesagt, dass früher alles viel besser war. Da bin ich skeptisch, wenn man so anfängt. Früher war es tatsächlich so,  dass über Studentenbewegungenen mehr organisiert wurde. Das junge Leute per se unpolitisch sind, bezweifel ich. Man erreicht sie nur nicht mehr durch die ganz traditionellen Formen von Parteipolitik.“

Wir setzen darauf, dass gerade junge Politiker wie Mario da in den Parteien für ein Umdenken und eine weitere Veränderung sorgen können. In unserer neusten Folge von Halt Stop!-dem Livepodcast konnten dem Jungpolitiker via Skype und Twitter Fragen gestellt werden.  Hört doch mal rein, um Mario besser kennen zu lernen:

Wir haben im Anschluss an die Live Sendung noch mit unseren aktiven Hörern gesprochen, sie geben uns eine konkretes Bild zu Ihrem politschen Engagement.

Jan (17), SchülerIMG-20151207-WA0007

Gerade die aktuellen politischen Themen wie die Flüchtlingskrise oder der Klimagipfel finde ich sehr spannend und haben auch mein Interesse an Politik geweckt. Ich habe auch bei Online Petitionen gegen verschiedene Dinge mitgemacht. Mitglied einer Partei kann ich mir bisher noch nicht vorstellen zu werden.

 

 Eva Hahnau (23),  Krankenpflegerin

Politisch aktiv bin ich nicht wirklich. Ich wünschte, ich wäre da etwas aktiver, denn zum Beispiel Demonstrationen zu den richtigen Themen stehe ich positiv gegenüber, leider fand ich bisher nicht die Zeit dazu. Ich bin interessiert an aktuellen Nachrichten und versuche, am Ball zu bleiben. Politiker reden meiner Meinung nach immer mehr als das sie machen. Ich kann aber oft selber schwer beurteilen, was da jetzt die richtige Lösung wäre.

IMG-20151212-WA0005Claudia Albrecht (25), BWL Studentin

Spontan würde ich mich als politisch interessiert, aber nicht engagiert bezeichnen. Ich bilde meine politische Meinung durch Verfolgung der Nachrichten, gehe wählen und unterschreibe auch bei Petitionen wie beispielsweise gegen Unterbezahlung. Aber darüber in eine Partei selber beizutreten, habe ich nie nachgedacht.

Ob engagiert oder nicht, zumindest ein steigendes Interesse ist in jedem Fall zu erkennen. Wie sieht das bei Euch aus? Seid Ihr politisch engagiert oder wäret es gerne? Nehmt an unserer aktuellen Umfrage teil:

 

Copyright Bilder:

Deike Stemmer

Mario Dahm

Flickr: Phillipe Leroyer

Flickr: Micheal Bruns

Identitätswechsel im Alltag: Der Fußballfan

Der Mix unserer Identitäten

Identität

Abhängig von unserem Umfeld, betonen wir einen Teil unserer Identität. Am Arbeitsplatz eignen sich andere Facetten, als in der Stammkneipe. Wer kennt das nicht? Man trifft alte Schulfreunde wieder und verhält sich auf einmal vollkommen anders wie mit aktuellen Freunden.

Björn Holger Zierul, Doktorand für Psychologie an der Universität Hamburg erklärt mir dieses Phänomen, welches auch Identity Switching genannt wird. In manchen Fällen unterscheiden sich zwei Rollen so stark, oder werden von der Gesellschaft abgelehnt, dass man sie verbergen muss und so ein Stück seiner Identität verheimlicht.

Beruf vs. Freizeit

Ein  Beispiel: Christian*, mit dem ich entspannt bei einem Kaffee spreche. Er ist Ende 20, hat ein abgeschlossenes Studium und ist in einer verantwortungsvollen Position im Bildungsbereich tätig. Wir unterhalten uns offen, freundlich und höflich. Doch möchte er mit seiner Geschichte lieber unerkannt bleiben, denn es könnten berufliche oder private Konsequenzen folgen, bei Vermischung seiner Identitäten. Warum?

Seine Freizeit richtet er nach den Spielzeiten eines Fußballvereins aus, als Teil einer Fangruppierung eines Proficlubs aus NRW. Der Besuch des Stadiums sei für ihn mehr als „ sich auf den Sitzplatz zu setzen und eine Bratwurst zu essen.“

Was heißt das? Und was ist der Grund für die Anonymität? Fußballfans verbindet man schnell mit  „Ultras“ oder „Hooligans“.

Hooligans, Ultras, Fußballfans?
Ⓒdetoco
Fans vom 1.Fc Kaiserslautern Ⓒflickr: detoco

Christian erklärt mir die Unterschiede: Ultras seien leidenschaftliche Fans die Ihren Verein immer und überall unterstützen, zu allen Spielen fahren und dabei möglichst lautstark und kreativ unterstützen, während Hooligans sich für Ihren Verein schlagen wollen und der Gewalt wegen zum Fußball fahren. Man könnte seine Fangruppe zu den Ultras zuordnen, er bezeichnet sich aber lieber als „aktiver Fußballfan“.

Wer schon einmal ein Fußballspiel aufmerksam verfolgt hat, kennt die sogenannten Choreos, die von den Fans geplant und veranstaltet werden. Fahnen werden geschwenkt, Rythmen getrommelt sowie riesige Banner hochgehalten, die in mühsamer, teilweise wochenlanger Vorbereitung entworfen werden. Fußball wird zelebriert, weit über die 90 Minuten eines Spieles hinaus. Einen guten Einblick in ein „Ultraleben“ zeigt dieses Video von The Unity von Borussia Dortmund:

„Die hässliche Fratze des Fußballs“

Aber warum verheimlicht er diese Seite seiner Identität? Immerhin ist er kein gewaltbereiter Hooligan…

„Die mediale Berichterstattung der letzten Jahre hat einen besonderen Fokus, insbesondere nach der WM 2006 und dem entstandenen Fußballhype, auf Ultras gelegt. Die Hooligans sind ja letztlich seit Ende der 90iger Jahre auf dem Rückzug, mit Ausnahme vielleicht der HoGeSa-Ereignisse, deswegen sind stehen jetzt die Ultras im Mittelpunkt, als die Unbelehrbaren, die hässliche Fratze des Fußballes. Man sollte sich mal die Mühe machen da genauer hinzugucken, weil dort viel Potenzial liegt und auch viele positive Dinge ins Stadion gebracht wurden.“

In den Medien und somit auch im gesellschaftlichen Bild werden Ultras oft gleichgesetzt mit den gewalttätigen Hooligans.

Einsatz von Bengalos in Wolfsburg Ⓒflickr: Supporters Wolfsburg
Einsatz von Bengalos beim VFL Wolfsburg Ⓒflickr: Supporters Wolfsburg

Gerade die Diskussion über Pyrotechnik, also Bengalos oder ähnliche Feuerwerkskörper, die im Stadium gezündet werden und kürzliche Ausschreitungen vereinzelter Ultra-Gruppen rückten das Bild dieser Fankultur ins Negative. Fußballfankultur wird mehr und mehr mit Gewaltexzessen verbunden.

Als ich „Fußballfan“ bei Google in den Newsfeed ein gebe, stoße ich auf folgende kürzlich erschienenene Artikel: die ein eindeutiges Bild vermitteln:

„Nordderby-Nachspiel: 20-jähriger verhaftet

„Mehr als 1400 gewalttätige Fußballfans in Berlin registriert“

„Fan-Gewalt: Zwischen Wut und Selbstkontrolle“

„Finde ich ziemlich beängstigend“

Neugierig geworden was die Meinung der Menschen selber ist, machte ich eine kleine Umfrage in Bonn zu Ultras :

Langsam verstehe ich Christians Umsicht und vorsichtiges Verhalten: Das generelle Bild der Öffentlichkeit zu dieser Art Vereinsliebe, ist negativ geprägt.

„Der Gedanke ist gut, doch die Gesellschaft ist noch nicht soweit“

Christian erlebt seine Vereinsliebe als perfekten Ausgleich zum Arbeitsstress, die Chance mehr von der Welt zusehen und auch die Möglichkeit in Kontakt mit Menschen aus den unterschiedlichsten sozialen Milieus zukommen. Unter den Ultras befindet sich der 16 Jährige ohne Hauptschulabschluss genauso wie der Universitätsdozent. Die Verrücktheit nach Fußball und die Liebe zum Verein überwindet soziale Grenzen.

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„Die Problematik ist, dass die Gesellschaft bestimmte Anforderungen an meinen Beruf hat, die mit den Bild des Fußballfans in der öffentlichen Wahrnehmung kollidieren.“

Sollte sich dieses gesellschaftliche  Bild in Zukunft zum Positiven ändern, wäre die strikte Trennung für ihn nicht mehr notwendig.

Fankurve FC Nürnberg Ⓒfirutin
Fankurve 1. Fc Nürnberg ⒸFlickr: firutin

*Name geändert

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